Die Jungpflanzenanzucht und ihre Tücken

Diese Woche gibt euch unser neuer Auszubildender Gärtner Linus tiefere Einblicke in das Thema Jungpflanzen:

Im Zuge unseres Bestrebens hin zu lokalen Kreisläufen und Autarkie sind die Jungpflanzen seit jeher ein zentraler Punkt. Aktuell kaufen wir den aller größten Teil unserer Jungpflanzen vom Biolandbetrieb Natterer, im Frühjahr kommen sie alle zwei Wochen palettenweise den weiten Weg aus Baden-Württemberg zu uns in den Isarwinkel. Einen regionaleren Betrieb, der uns diese Mengen und Qualität liefern kann, gibt es leider nicht.

 

Neben der Problematik der Transportwege geht der Jungpflanzenkauf auch ins Geld und ist ein Kontrollverlust für uns. Dieses Frühjahr wurde das besonders deutlich: Den Pflanzzeitpunkt im Freiland mussten wir wieder und wieder verschieben, denn um den Boden bearbeiten und bepflanzen zu können, sollte er mindestens drei Tage am Stück trocknen. So saßen wir im Regen, während im Zwei-Wochen-Takt neue Jungpflanzen anrollten, die wir letztes Jahr bestellt hatten. Dieses Jahr waren sie schon bei der Lieferung teilweise grenzwertig groß. Dadurch blieb uns nicht viel Zeit, bis ihnen in den Töpfen die Nährstoffe ausgehen und sie ihr Wachstum stoppen würden. Das hätte uns weitere Verzögerung in den Kulturen beschert, denn Pflanzen mit Wachstumsdepression brauchen auch nach dem Auspflanzen noch einige Wochen, um zu registrieren, dass sie weiterwachsen können. Wir waren also heilfroh, als sich Ende letzter Woche endlich ein Wetterfenster auftat und nach längerer Fahrerei mit Bodenfräse und Pflanzmaschine alle Jungpflanzen endlich gesetzt waren. Aber auch im Gewächshaus, wo wir nicht zum Warten auf Trockenheit verdammt waren, machte uns die Größe der gelieferten Pflanzen zu schaffen. Gerade Tomaten und Gurken an die Rankschnüre zu binden, war wegen ihrer Überlänge recht aufwändig. Der Grund für die Größe der Pflanzen liegt in den vielen Parametern, die für eine erfolgreiche Jungpflanzenanzucht stimmen müssen. Wenn etwa die Pflanzen zu eng stehen und nicht genügend Platz und Licht bekommen, strecken sie sich in die Länge. Außerdem spielt natürlich die Temperatur eine entscheidende Rolle für die generelle Wachstumsgeschwindigkeit.

Wenn wir unsere eigenen Jungpflanzen ausbremsen wollen, können wir sie gezielt an kühlere Orte stellen. Das gewöhnt sie auch an die Temperaturen abseits unserer beheizten Keimkammer. Dort ziehen wir Kürbis, Zucchini, Zuckermais und Bohnen selbst. Sie sind vergleichsweise einfach zu produzieren, weil sie nicht wie Tomaten, Paprika etc. veredelt werden müssen und eine sehr kurze Anzuchtdauer haben. Deshalb können gerade diese Kulturen auch für den Heimgarten gut selbst gezogen werden. Das Vorziehen bei optimalen Bedingungen gewährt gegenüber der direkten Aussaat einen zeitlichen Vorsprung. Auch das Jäten wird einfacher, wenn Keimlinge und Beikräuter nicht gleich groß sind. Zur Anzucht sollte die Erde nicht lose, aber auch nicht zu dicht sein. Die Saat muss 1-2cm tief gesetzt und dann gut feucht und warm (Zimmertemperatur) gehalten werden. Bei Stangenbohnen können übrigens bis zu 6 Bohnen ins selbe Loch und sich eine Rankhilfe teilen. Sobald die Samen keimen, müssen sie ins Licht. In unserer Keimkammer haben wir dafür Regale mit Tageslichtlampen. Da der Platz stark begrenzt ist, sind wir in der Eigenproduktion auf die Kulturen mit kurzer Anzuchtdauer limitiert, bei denen wir ziemlich schnell rotieren können.

Die Idee, die Anzucht in Form eines eigenen Jungpflanzenhauses auszuweiten, steht schon seit Jahren im Raum und mit ihrem Für und Wider wohl schon Stoff für einen eigenen Artikel. Aktuell säen wir Karotten, Radieserl, Rote und Gelbe Bete direkt ins Beet und auch Knoblauch setzen wir mit unserer Maschine. Dazu kommen die wenigen selbst vorgezogenen Kulturen. Trotzdem stellen alle anderen, zugekauften Jungpflanzen den Löwenanteil. Durch den Zukauf lagern wir Arbeit und Risiken aus, auf Kosten von Kontrolle und Autarkie. Vollständig autark wären wir übrigens auch mit Jungpflanzenhaus nicht, denn Saatgut und Aussaaterde mit Torfanteil (eine Problematik für sich) müsste natürlich weiterhin zugekauft werden. Trotzdem bleibt die Autarkie ein Ideal, das wir anstreben.